Das Letzte Duett

Das Letzte Duett

2006, Duett, 60 Min

Über das Stück

Ein Stück, dessen Titel es als ein „letztes“ ausweist, setzt eine Zäsur und teilt die Zeit in ein Vorher und Nachher. Was aber wird hier beendet, was begonnen?

Das letzte Duett wird getanzt von Bettina Thiel, Erste Solistin des Staatsballett Berlin, und Ingo Reulecke, Solist der zeitgenössischen Berliner Tanzszene. Beide blicken auf eine erfolgreiche Karriere mit Gastspielen auf internationalen Bühnen zurück. Während Bettina Thiel jedoch den Drill der am russischen Vorbild geschulten Ballettausbildung der DDR durchlaufen hat, ist Ingo Reuleckes Laufbahn ein Beispiel für die typische Patchworkausbildung der freien Tanzszene, bei der die Lehrer selbst gewählt werden konnten und auch mussten. Beide Künstler haben also in ihren unterschiedlichen Laufbahnen ihren eigenen unverwechselbaren körperlichen Ausdruck entwickelt. Und dennoch sind sie sich in ihrem tänzerischem Gestus verblüffend ähnlich, erscheinen fast wie voneinander getrennt aufgewachsene Zwillinge.

Mit Christoph Winkler verbindet beide Tänzer eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit, die in Das letzte Duett nun gewissermaßen ihren Abschluss findet. Denn heute, nach über 25 Jahren Tanz, schult Ingo Reulecke als Professor der HfS Ernst Busch den choreografischen Nachwuchs und auch für Bettina Thiel ist die Zeit der großen klassischen Duette unwiderruflich vorbei.

Diese ganz konkrete Konstellation bildet den Ausgangspunkt für Christoph Winklers neues Stück: Was bedeutet ein Duett heute für diese beiden Tänzer? Welche Erfahrungen bringen sie mit ein und welche Wünsche – sei es nun im Grand Pas de Deux oder in Kontakt- improvisationsduetten? Ausgehend von einem sehr persönlichen Ansatz, den Gedanken und Erfahrungen der Beteiligten als Duettpartner, werden die verschiedenen Bedeutungen eines „Tanzes zu zweit“ mitgedacht.

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credits

Choreografie: Christoph Winkler | Tanz: Bettina Thiel, Ingo Reulecke | Beratung Raum: Alexander Schellow | Assistenz Raum: Ansgar Prüwer | Technik: Fabian Bleisch Produktionsmanagement Elena Polzer.

Produktion Christoph Winkler. Gefördert von Hauptstadtkulturfonds mit freundlicher unterstützung des Staatsballett Berlin

Termine

Pressauszüge

Was vorsichtig beginnt, findet zunehmend zusammen Was ihre Körper auszudrücken vermögen und in galanter Perfektion zeigen, ist eine Kunst, die sie nur als reife Tänzer so selbstverständlich präsentieren können. Beide stehen am Ende ihrer solistischen Karriere - und ähneln sich nicht nur in Statur und tänzerischem Vermögen. Dem Choreographen Christoph Winkler ist es gelungen, aus einem schon vor längerem begonnenen Dialog zweier begnadeter Tänzer eine gemeinsame Arbeit in Schönheit entstehen zu lassen. Gießener Zeitung 

Bettina Thiel und Ingo Reulecke sind ein tolles, ein wunderbares Paar auf der Bühne. Bettina Thiel muss nur den kleinen Finger bewegen, da eröffnen sich Welten kinästhetischer Schönheit, die ihresgleichen suchen. Zum Dahinschmelzen. In Reulecke hat sie einen Partner, der mit seiner einzigartigen Bewegungsqualität zugleich ästhetisches Äquivalent und Gegenpart ist. Zwei so gleich starke, so fein abgestimmte Bühnenpartner wie die klassische Tänzerin und der zeitgenössische Choreograf sieht man ganz selten. Zwillinge, mehr noch, Seelenverwandte, möchte man meinen, die trotz aller Unterschiede in Ausbildung und Training zusammenpassen wie die Faust aufs Auge. [...]
In einem langsamen Duetteil entwickeln sich aus fließenden Bewegungsfolgen plötzliche Stops und treiben jede Bewegung weiter über das ohnehin künstliche Maß hinaus ins Hochartifizielle. Bettina Thiel bleibt dabei sehr konzentriert, ganz bei sich, während Reulecke stärker aus sich heraustritt du seine über die Jahre entwickelten Eigenheiten voll entfaltet. tanzjournal

"Das letzte Duett" heißt passend das Stück, das Bettina Thiel und Reulecke zeigen. Choreografiert hat es Christoph Winkler. Zu Beginn sieht man ihn selbst in einem Fernseher. Der Fernseher steht auf einem Tisch im Hintergrund. Auf der einen Seite sitzt Bettina Thiel in voller Schwanenmontur mit Krönchen, falschen Wimpern und allem was sonst dazu gehört. Auf der anderen Seite sitzt Ingo Reulecke. Wie ein Nachrichtensprecher verliest Winkler aus alten Kritiken der beiden. Die Texte, die gesamte Szenerie muten grotesk an. Das Publikum lacht und lacht. Später wird sich Bettina Thiel des Krönchens, des Dutts, der Wimpern und ihrer Spitzenschuhe entledigen und hinter einem Paravent ihr Tutu gegen eine Hose austauschen. Sie wird mit Reulecke in einen tänzerischen Dialog treten, in dem es nicht mehr um klassische Formen, sondern um so etwas wie die kinästhetische Intelligenz geht, um die feine Wahrnehmung des Körpers und seiner Bewegungsmöglichkeiten. Berliner Zeitung 

Zwei scheinbar Gegensätzliche treffen im brüchigen Theaterraum aufeinander, in Hose und Hemd er, sie im schwarzen Tutu unter Silberkrönchen. Als Dritter im Bund liest Winkler via Monitor aus Zeitungskritiken, über die Gute Fee, den weißen Schwan, die "Sirene mit rotem Haar" Thiel, den "Schlenkermeister vom Dienst" Reulecke. Mit diversen Beinverschränkungen liegend, aus dem Stand wie Taschenmesser klappend, suchen die zwei da noch nach gemeinsamer Form, belauern sich mit Blickkontakt. Parallel zelebrieren sie Ballettpantomime aus "Schwanensee", er sein gewohntes Vokabular. Beinah alles gibt sein dehn- und spreizfähiger Körper her, zieht sich fix zusammen und expandiert wieder, wechselt jäh die Bewegungsrichtung, spielt mit dem Gleichgewicht. Die gebundene Plastizität ihrer Ausfälle, Auslenkungen, Muster und Figuren sieht man ungern enden. Am Schluss übt sich Thiel in Gitarrenakkorden, Reulecke zitiert, unsicher noch, im Yogasitz ihre Pantomime. Abstrahiert nimmt sie neben ihm diese Gesten auf. Die Überraschung nach 60 Minuten ist perfekt, ein allerletztes Duett fast zwingend notwendig. Neues Deutschland

Im Tacheles wagen [Bettina Thiel und Ingo Reulecke] nun gemeinsam die ersten Schritte eines neuen Weges. Beschnuppern, beobachten und umkreisen sich. Bleiben eingangs in ihren eigenen Welten, und verweben nach und nach Klassisches und Zeitgenössisches immer enger miteinander. Vor allem Thiel dekonstruiert sich dabei völlig uneitel, in dem sie sich vom glitzernden Schwan mit strengem Ballettdutt zur kurzhaarigen, knabenhaft wirkenden Frau verwandelt. In eine Tänzerin, die am Ende fast noch zeitgenössischer wirkt, als ihr Duettpartner. Thiel und Reulecke kreisen beide immer wieder um die eigene Biografien und versuchen so, den zaghaften Neuanfang zu formulieren. Hoffentlich also doch nicht ihr allerletztes Duett. Zitty