HipHop ist nicht gleich HipHop

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HipHop ist nicht gleich HipHop

Tanzprojekt zum Verhältnis von Kopie und Original
Author: Tom Mustroph | text in German only
24 May 2012

Der Choreograf Christoph Winkler zeigt, dass es nicht das Gleiche ist, wenn cool sein wollende weiße Jungs die Bewegungen der tatsächlich coolen Vertreter der Pioniergeneration des HipHops nachahmen. Statt Bewunderung wird eher Gelächter produziert. In seinem Projekt „Dance! Copy! Right?“ führt er auch vor Augen und Ohren, was ein Urheberrechtsschutz für Choreografien bedeuten könnte: In der Welt des Zitierens, Kopierens und Travestierens von Bewegungen würde permanent der Zensursummer ertönen. Und möglicherweise wären sogar dem Nichtkünstlerkörper jene Bewegungen verwehrt, die Choreografen einst dem Alltag abgepaust, dann in Kunst transformiert und schließlich geschützt hätten. In Zeiten, in denen die Urheberrechtsdiskussion hochpeitscht und (Netz-)Piraten gegen – meist Verlagsgebundene – Künstler in Frontstellungen bringt, macht Winklers neueste Produktion (24.-27.5., Sophiensaele) auf die Absurditäten der Debatte aufmerksam. Und im Interview skizziert er Auswege aus dem Konflikt von Produzenten, Konsumenten, Prosumenten und Verwertern.

Christoph Winkler, wie begann die Beschäftigung mit diesem Thema?

Auslöser war ein Urheberrechtsprozess in Bayern, zu dem ich als Sachverständiger geladen wurde. Es ging dort um ein Urban Dance-Video. Ein Unternehmen hatte sich die Rechte an der Choreografie sichern lassen und verbot nun einer Tanzschule, dieses Video im Unterricht zu benutzen. Es klagte auch auf eine Entschädigung für entgangene Einkünfte. Meine Aufgabe war es, herauszufinden, ob es sich dabei um ein künstlerisches Original oder ein Plagiat handelte.

Wie würde man im Tanz, der ja im Spannungsfeld von kodifizierter Form und individuellem Ausdruck operiert, da vorgehen?

Man könnte es machen wie in der Musik. Das aktuelle Urheberrecht ist auch so aufgebaut. Man schützt bestimmte Sequenzen. Das ist wie ein Melodieschutz. Der gilt, egal ob die Melodie von einem Klavier oder einer Trompete gespielt wird. Allerdings funktioniert das beim Tanz nicht so recht. Denn hier ist die Kopie ein anderer tanzender Mensch. Da käme man einerseits sehr schnell in Konflikt mit der Menschenrechtscharta. Wenn das Copyright Bewegungen des menschlichen Körpers einschränkt, wäre dies eine Beeinträchtigung des Selbstausdrucks des Menschen. Hinzu kommt: Der Tänzer in der originalen Choreografie war ein schwarzer Amerikaner mit gutem Feeling. Der zweite Tänzer ein weißer mit nicht so gutem Feeling. Alle haben gelacht, auch der Richter, als beides parallel auf einem Splitscreen vorgeführt wurde. Ich habe ähnliche Erfahrungen auch an eigenen Arbeiten mit HipHoppern beobachtet. Dort ist vieles kodiert. Aber keiner von den neuen jungen Tänzern bekommt das so hin wie die old school. Du siehst es einfach, die vibes sind anders.

Tanz ist also eigentlich nicht schützbar?

Im Ballett funktioniert dies noch, in Verbindung von der Benesch-Notation der Bewegungen mit der Musik. Aber im zeitgenössischen Tanz, wenn Forsythe etwa den Raum erforscht, versagt diese Notation. Kurioserweise ist die Improvisation geschützt, obwohl der Kern der Improvisation ja darin liegt, gerade nicht wiederholbar zu sein. Eine gesetzliche Regelung, die sich nur am Ballett orientiert, nützt gar nichts. Hinzu kommt eine urheberrechtliche Behinderung. Der Cirque du Soleil etwa sucht sich auf youtube seine neuen Stars zusammen. Die kaufen die dann ein und schützen es rückwirkend. Die ganze Dynamik, die im Video Dance steckt, könnte damit erstickt werden. Bislang antworten HipHopper auf youtube aufeinander und versuchen sich zu überbieten. Der Zensur-Beep ertönt  nur, wenn die Musik in dem Land, in dem Du gerade Deinen Computer hast, geschützt ist. Der Tanz ist immer noch frei. Doch das könnte sich ändern, wenn die auf youtube getesteten Sachen dann zu Produkten werden und dementsprechend geschützt sind.

Was wäre ein Ausweg? Schließlich wollen Choreografen und Tänzer ja auch von ihrer Arbeit leben?

Natürlich sind prekäre Lebensverhältnisse nicht erstrebenswert. Dass aber zum Beispiel  Musiker für das bloße Anhören ihrer Musik bezahlt werden wollen, ohne dass sie spielen, ist auch nicht der richtige Weg. Und dass in der Musikbranche Hits nicht billiger sind, weil sie ja um ein Vielfaches mehr verkauft werden, als die Aufnahme irgendeiner unbekannten Independant-Kapelle, zeigt nur, dass dort der Markt nicht funktioniert. Wenn man sich auch noch das 18. Jahrhundert in England anguckt, wo die Buchproduktion so geschützt war, dass nur wenige, aber dafür sehr teure Exemplare gedruckt wurden, in Deutschland hingegen eine Explosion gerade auf dem sachbuchmarkt stattfand, weil wegen des geringeren Schutzes Unternehmer viel größere Mengen druckten und zu geringem Einzelpreis vertrieben, dann zeigt dies doch die Richtung an. Es kann zeitliche Begrenzungen geben. Für einen gewissen Zeitraum nach der Premiere ist ein Stück geschützt. Dann aber nimmt es teil am kulturellen Austausch. Und wer die Urheber im Original sehen will, der zahlt dann eben dafür mehr. So bleibt die Dynamik erhalten.

Ist Dance! Copy! Right? also ein visionäres Stück?

Wir versuchen, dieses Thema aufzugreifen und hoffen natürlich auch, das Interesse der digital Natives für so etwas wie körperliche Bewegung im Realraum zu erwecken.