Die Wiedergänger oder „Die Gliedmaßen in den Körper sammeln“
Prolog:
Der folgende Text ist streckenweise ein Protokoll der körperlichen Wirkung von Zitaten einer Deskription, genauer, ihrer Verkörperung, vielleicht Einkörperung. Ein Protokoll einer Körperwerdung des Tanzes aus dem Wort, die Geburt des Tanzes aus dem Geist des beschreibenden Wortes, die Tanzwerdung als Erinnerung seiner Bewegungen aus den gespürten Bewegungen der Xenia Taniko, die in ihrer Wortwahl den Blinden derart ansteckend begegnet, dass sich aus ihren Beschreibungen der Tanz selbst im Körper des Blinden niederschlägt.
Die Beschreibung wird Körpervolumen, geht über das innere Bild, das von einer Beschreibung aufgerufen wird hinaus, wird in der beschriebenen Körperbewegung zu einer Imagination einer sich verkörpernden Bewegung, wird Tanz: Tanz gespürt, Tanz als gespürter Gedanke, als gespürter Gedankenfluss.
Die Wortfindung der Xenia Taniko spielt hier eine zentrale Rolle, Worte die sich aus der Tanzbewegung eines Körpers, dem Körper einer Tänzerin einfinden, um anzustecken, sich im Körper eines anderen zu verkörpern.
Der Fluss einer Deskription reißt in seinen Fluss hinein, er hält den Fluss der Körperbewegungen aufrecht, färbt sie obendrein mit der Atmosphäre von Bühne und Video ein, lässt Autobiografisches einströmen.
Das Spüren von Bewegung im Sprechen von Bewegung ist etwas, woran sich das Sprechen von Bewegung festhält, sich den Weg in den Körper hinein bahnen lässt, getragen von Erinnerungen an die Bewegung, die sich, auf welche Weise auch immer, in das Fleisch des Blinden eingeschrieben hat, im erinnerten Gespür wieder Körper werdend, im Wort aufgerufen.
In der Deskription kommt der Unterschied zwischen gesehenem Bild und in Tanzbewegungen gespürtem Bild, in verkörpertem Bild heraus, kommt als Ansteckung in Bewegung zu Tanz durch das Wort, und wird im Aus-dem-Tanz-herausfindenden-Wort zu einem getanzten Wort, das den blinden Körper als Tanz infiziert. Nietzsches Zarathustra kommt in den Sinn: „Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.“
Melancholien des Unfassbaren
Was vergessen ist wird, wenn es nicht aufgearbeitet ist, wiederkommen. Wird zu einem Wiedergänger. Das Unerlöste genauso wie das Erhoffte einer Veränderung. Aber wird es vielleicht auch zu einem Bild, das sich vor den Schmerz legt, das den in der Reflektion gefundenen Begriff hinter sich verschwinden lässt, ihn wie das Erfüllte anstelle des Schmerzenden aufgehoben sein lässt. Bilder erscheinen, füllen den Raum des Tanzes getragen von Musik und hinter den Bildern sie tragenden Videobilder. Was trägt hier was. Was kontrastiert was, lässt vor sich erscheinen. Färbt es ein. Bewegte Bilder vor bewegten Bildern, Figuren tanzend vor Häuserfronten auf Videoleinwand. Menschen tauchen auf dieser auf, tauchen hinter Masken auf und alles was auftaucht ist von einer Rasterung der Leinwand durch die Struktur von Paneelen wie vergittert oder zumindest strukturiert, als sollte die Wirklichkeit immer schon als gemacht erscheinen, als müsse die Welt der Bilder von der Welt der Körperlichkeit körperlich getrennt werden, als reproduziere ein jedes Bild immer schon seine eigene Vergitterung, seinen eigenen Knast, als wäre ein jedes Bild der Knast einer tatsächlichen Wirklichkeit. Zwei Bilder von Bildern, ein linderndes, ein kühl reflektierendes. Die Musik zieht uns aus dem Sinnen heraus.
Die Musik hat zunächst etwas Unerlöstes, etwas Nicht-zu-Ende-Gebrachtes an sich, in das es den blinden Autor hineinzieht. Später wird sie zu einer Art Techno, deren elektronische Beats nicht nur unmittelbar von den tanzenden Körpern aufgegriffen werden, die sie in Formen treiben, deren eine Kommunikation zwischen Körperlichkeit und Raumvolumen öffnet. Aber auch die Figuren, Personen, Menschen auf den Videoleinwänden reagieren an anderer Stelle auf die Musik, die damit zu einer Weichenstellung, zu einem physischen Katalysator wird, der die beiden Welten, die Welt des Bildes und der Vorstellung und die der getanzten Handlung wie zwei Realitäten für einander durchlässig macht.
Die Musik zwischen Atmosphäre und reinem Impuls zur Handlung hin- und hergerissen. Andererseits ist die Musik die Erinnerung an die Bewegung, die noch nach der beschriebenen Bewegung die Bewegung wie ein Schatten fortdauern lässt, der Schatten der Handlung selbst.
Nicht aber das Bewusstsein bannt, es ist das Auge, das gesehen haben muss, um etwas vergessen zu können, weil es dem Gesehenen wie dem Nichtsichtbaren ein Bild zu zudenken vermag, in welchem es in den Katakomben, in der Krypta des Körpers weggeschlossen werden kann, eingemauert wie der gehasste Zechkumpan in Venedig während des Karnevals in der Erzählung Das Fass Amontillado von E.A.Poe.
Die Beschreibung, die ein Bild liefert, um aus ihm wie aus einem Grundstock weitere Bilder hervorquellen zu lassen, Xenia Taniko sieht sie nicht einfach, sie sieht in ihnen eine Kraft, die hinter ihnen steckt und dieses Gespür lässt sie in ihre Bildbeschreibungen, in ihre Audiodeskription einfließen: „Formen durchfliesen ihre Körper“, die Bewegung ist das Subjekt, das sich der Körper bedient, um sich realisieren zu können. Der Körper nimmt keine figürlichen Formen ein, er wird eingenommen, wird durchflossen, lässt sich von verschiedenen Formen durchfließen.
Und hier wird die Audiodeskription zu einem Medium der ausgesprochenen Verkörperung, die sie nicht mehr nur beschreibt, in die sie hineinzieht, das Beschriebene den hörenden Blinden selbst werden lassend.
Die Audiodeskription wird zu einem Medium der ganz anderen Rezeption, vermittelt nicht einfach Bilder und Bildabläufe, die sie beschreibt, um sie verstehbar werden zu lassen. In der Performance eröffnet sich durch die Audiodeskription die Möglichkeit, eine ganz andere Kunstform zu entwickeln, die die alte Trennung von Publikum und handelnden Spieler*innen aufbricht, um das ganze Schauspiel vollkommen neu spürend denken zu lassen.
Wenn etwa Xenia Tanico davon spricht, dass eine Form oder Figur eine Tänzer*in durchfliest, löst sie nicht nur die Handlung von der Handelnden, sie transzendiert die Handlung, übersteigt die Handelnde, die Tänzer*in, lässt kurz etwas Unsichtbares hinter ihr in Erscheinung treten, was die Tänzerin in ihren Bewegungen übersteigt, dem sie blind folgt, dem sie sich unterwirft, um es in ihr sich vollziehen zu lassen, ein Spüren von etwas, das mit ihrem Körpergedächtnis spricht, das es anspricht um aus ihrem Körper das Medium dieser Sprache zu machen, die der bildlos Sehende in seinem Körper zu spüren vermag, darin ein Sehen entwickelnd, das seinem ganzen Körper entspringt: eine Sprache finden, die blind genug ist, nur Körper sein zu müssen. Spur eines bildlosen Körpers, der die Tänzer*in quasi blind folgt.
Xenia Taniko beschreibt nicht einfach Bewegungen: in Metaphern, in Bildern von Körperbildern lässt sie im Blinden nicht einfach Bilder entstehen, lässt die Bilder der Körper den Körper des Blinden selbst werden, lässt die Bewegungen sich im Blinden erspüren lassen und tut dies, indem sie von eben dieser Loslösung der Bewegungen von den Tänzer*innen spricht, sie selbst zu einer Ansteckung werden lassend, die den blinden Hörer des Geschehens von dieser Ansteckung selbst gepackt werden sich spüren lässt.
Aber was bedeutete dies letztlich: In kleinen sprachlichen Gesten wird der Zuhörer*in der Deskription zum Gedanken eines inneren sinnlichen Zusammenhaltes der Performance gebracht, der von der Stimme der Deskriptorin gestiftet ist, der in ihrem Blick auf das Geschehen mehr ist als eben nur dieser Blick auf einen Ausschnitt der Performance, der immer mehr sieht als zu sehen ist, und dies nicht nur da, wo die Deskriptorin mehr erzählt als das, was gerade auf dem Bildschirm zu sehen ist, den Ausschnitt des Bildschirmblickes übersteigend, was der Blinde natürlich nur dadurch mitbekommt, dass die sehende Assistentin das Stück mit ihm zusammen nochmals verfolgt.
Eine Performance über einen Theoretiker, der in seinen Texten vom Scheitern der Veränderung spricht, sich dabei auf einen anderen Theoretiker beziehend, der in seinem Spätwerk ein Buch namens Marx’ Gespenster veröffentlichte, um darin Gedanken als Wiedergänger, als Phantome zu beschreiben, die in Christoph Winklers Performance auf die Bühne gelangen melancholisch getanzte Bilder vor verschwommenen Videobildern, Bildern von verrottenden Städten, Bilder aber auch von afrikanischen Jugendlichen, die das Phantomhafte persiflierend inszenieren.
Tanzende Figuren
Da ist zu allererst Lois, die Poesie, die ihren eigenen Grund darstellt im Aus-ihrer-Hand-rinnenden-Sand, der den Sand aus den Uhren darstellt, Zeit in der Farbe des Blutes, flüchtig wie die Sprache, auf den Boden zu einem Grund zusammenrinnend, zu einem Ort sich sammelnd, auf dem sie zu stehen vermag. Etwas an Zeit läuft aus ihr heraus, um ihr einen Raum abzugeben.
Da ist andererseits Kevin, der die Form nicht zu formen scheint, der sie vom Boden sich zu erspüren scheint, der zunächst ganz nahe am Boden sich bewegt, sich etwa zu einem Tisch als Brücke formt, den Tisch wie aus dem Boden heraus sich erspüren lässt, Teil des Bodens selbst wird.
Da ist Michael bloße Energie mühsam von Figuren zusammengehalten, die er einnimmt, die ihm nur dazu zu dienen scheinen, den Bühnenraum einzunehmen, eine Möglichkeit sich zu schaffen, seine Energie umzusetzen, sie in die Form fließen lassen zu können. Die anderen, die ihn beobachten, machen ihm die Bühne frei, wie man einen Vorhang aufzieht, ziehen sie die Sitzpolster zur Seite, einer Unbändigbarkeit die Möglichkeit gebend, unberechenbar ihre Bewegungen sich finden lassen zu können. Mit Händen und Armen schafft er sich Platz für die Bewegung seiner Beine und der Bewegung seines ganzen Körpers, in die die Beine ihn mit Wucht hineintragen, Energie und Form in dieser Figur bereits von einander trennend, seine Bewegungen in diese zwei Momente aufsplitternd.
Während Kevin eine Stabilität einzunehmen sucht, sie in Formen, mimetischen Formen darstellt, Formen, die nicht bedrohen, die erprobt sind, scheint Raha mit Stilen zu spielen, in denen sie Wiederholungen einflicht, in denen sie sich selbst zu vergewissern scheint, kurze Bewegungsabläufe wie gespiegelte Splitter, die Form aufnehmend, die ihr ein Stil zu vermitteln scheint, oder vielleicht umgekehrt: ein Stil da heraus sich erst überhaupt bildend.
Lisa wiederum trägt ihre Körperlichkeit als Pose und Geste wie Mimik vor, gewinnt da heraus ihre ganz eigenen Formen, Formen der Distanz, in der sie bedrohlich die Zähne bleckt.
Bilder an der Wand, Bilder des absterbenden Kapitals, verrottete Fabriklandschaften, verrottete Quartiere von Shrinking Cities. Zerfall der Produktionslandschaft, der Reproduktionslandschaft, zweier Säulen des Kapitals, deren Vergehen das Ende des Kapitals noch lange nicht verkünden, die nur davon sprechen, dass all diese Bilder des Kapitals niemals mit den Verhältnissen verwechselt werden dürfen, niemals zu Fetischen gesehen werden dürfen, da hier ansonsten das Bild das zugrunde liegende Verhältnis verdeckt. Zerfallende Fabriken zeugen nur von einer einzigen Sache, dass die Produktionsmittel jederzeit austauschbar sind. Das Bild ist der Fetisch des Kapitals, das was die Konsument*innen geil macht wie sie letztlich allein auch nur befriedigt: es ist die Vorstellung eines Produktes, einer Ware, die wir im Kauf befriedigt sehen wollen.
Dem gegenüber das Bild zerfallender Industrielandschaften vor denen die Tänzer*innen wie Reaktionsmuster dem Blinden erscheinen: da sind repetitive Muster der Handlung, da ist die Übernahme des Gleichen, um es in Handlung sich fortpflanzen zu lassen, all dies vor den zerfallenden Hallen, in denen solches womöglich einst stattgefunden hatte, Spuren der Handlungen bleibend, sich in Leben außerhalb der Fabrik haltend. Die Wiederholung aber sieht sich in der Fabrik wieder, weil die Fabrik als Hintergrund hereinkommt, Bewegungen einen Rahmen gebend.
Das Werk als Mimesis im Gegensatz zum bildhaften Fetisch. Die Mimesis muss hergestellt werden. Das Bild ist eine Realität, die sich von der Produktion losgelöst hat, um dem Menschen entgegenzutreten.
Die Produktion bringt neben der Ware den Klassenkampf hervor, das Bild bringt Bedürfnisse hervor, deren Abschaffung weit über die Produktion hinausgehen müssen, einen Kampf erfordernd, der wiederum weit über den Klassenkampf hinausgehen muss.
Im Begriff der Hauntologie ist dies insofern mitausgedrückt als die Ontologie einen Bereich des Seins umfasst, der keinen Einfluss auf das Hauntologische als das Schattenhafte, das Gespenstische das Unheimliche hat, das über das Sein hinausgeht, das Mark Fisher in einer Abhandlung beschrieben hatte und das in der Performance von Christoph Winkler immer im
Hintergrund gespenstisch mitschwingt, etwas Gespenstisches an sich, was das Sein letztlich selbst zu etwas Gespenstischem macht.
Die Unfassbarkeit einer Landschaft, die nicht genau zu Begriffen gesehen werden kann, die aber im Text mit einer Landschaft assoziiert werden kann, wo im von Kevin vorgetragenen Text von einer englischen Küstenlandschaft im April gesprochen wird, auf dem Video aber nur Angedeutetes fast schon ins Abstrakte Gehendes zu sehen ist, ein Bild, das erst im Wort seine Gestalt findet, die aus der Abstraktion des Bildes erst im Wort, im Begriff herausfindet, aus dem gespenstischen Ungenau im Text, in der Poesie herausgeführt wird, vom Wort herausgeführt in eine klare Vorstellung, ein klareres Bild.
Und die Bühne: Hügel sind da klar zu sehen, die nur größere Sitzkissen sind, umgeben vom Blau wie Wasser, das von der Videoleinwand her reflektiert wird. Natur wäre so immer nur die Vorstellung von Natur, wie die vermeintlichen Berge im imaginierten Wasser versinken. Genaueres ist nicht zu konstatieren, alles Geschehen auf der Leinwand spiegelt sich in seiner Ungenauigkeit auf dem Boden der Bühne wie die Reflektion einer realen Landschaft, die es weder im Video noch auf der Bühne gibt. Die Hügel finden ihre Entsprechung in Sitzpolstern, die auf der Bühne liegen. Die Bühne wirkt wie ein See, in welchem sich die Landschaft des Video spiegelt. Ein riesiges Schiff taucht auf und spiegelt sich auf der Bühne. In der Beschreibung der Assistentin erinnert es den Erblindeten an eine Szene aus Fellinis Amarcord, dem Sehnsuchtsort der Jugend von Rimini in den Sechzigern.
Kevin taucht auf und spiegelt sich auf der Bühne wie das Schiff, zu dem er auf dem Wasser geht, so die optische Täuschung, die dadurch noch zusätzliche Nahrung bekommt, dass das Schiff, laut Assistentin auch eine Zeichnung sein könnte: gemalte Kulisse beweglich wie das Spiel vor ihr. Die auseinanderbrechende Optik, die Tänzer *innen, die nicht nur auf der Bühne zu sehen sind, deren Gesichter in einer Art privatem Blick im Großformat, all ihre Emotionen zeigend zu sehen sind, Verlorenheit, Nachdenklichkeit, aber auch Freude, Entschlossenheit.
Die Gesichter schälen sich aus dem Geschehen heraus, bilden eine reflektierende Instanz vor dem illusionären Geschehen auf der Bühne. Da ist ein Auge, das genau hinzusehen in der Lage ist, das eine Instanz zu erkennen erlaubt, die subjektiv im Gesicht ablesbar Emotionen trägt und wiedergibt, die die Verwobenheit in Welt im Gesicht ablesbar macht, die von dieser Ablesbarkeit der Reaktion auf Welt und Geschehen aber nicht als Erklärung der sich im Tanz ausdrückenden Kommunikation mit dieser Welt erklären lassen will.
Da sind verstörende Bilder eines jungen Mannes, der sich, über Wasser wandelnd auf ein Schiff zu bewegt, und die Assoziation an den, der vor zwei Jahrtausenden über das Wasser auf ein Boot zuging sind bestimmt nicht zufällig. Während damals einer seiner Jünger beim Versuch, ihm entgegenzugehen beinahe mit dem Absaufen des Petrus geendet hätte, ist hier ein verstörter Mann zu sehen, der sich wie schlafwandlerisch durch eine Welt bewegt die eher als eine Kulisse erscheint denn als Gefahr, wo ein Schiff wie eine Attrappe oder eine Zeichnung erscheint, Abklatsch nur der Monstren, die durch Venedig steuern.
Das Cover eines Rockalbums erinnernd, wo ein Roller am Strand liegengeblieben ist, letztes Zeichen eines Selbstmörders, der ins Meer gegangen ist. Aber was sieht der blinde Autor hier, sieht er nicht selbst Gespenster, die sich aus der Musik seiner Jugend speisten, Wiedergänger von all den Dingen und It‘ all forgotten now.
Die Wirklichkeitsebenen: die Welt der Protagonist*innen, die Welt der Verspiegelungen vom Wasser her, die untergehende Fabrikwelt nebst der Quartiere die afrikanische Welt spielender Kinder, die mit Masken auftreten und das Gesicht des Kevin wird noch einmal aus einer ganz anderen Sicht her beleuchtet. Landschaften tauchen auf oder sind da und verschwinden einfach wieder, bevor sie erkennbar geworden wären. „Dazwischen der Tanz von Kevin. Seine Bewegungen leicht aber kontrolliert, wechselnd und abgehackt.“ Gestänge über Industrielandschaften, als wolle etwas über sie hinauswachsen und „Kevin fällt auf ein Knie, dann wieder ergreift er ein Bein und schiebt es nach vorne, dreht seinen Körper in eine Spirale ein,“ während der Hintergrund als Gezeichnetheit etwas Ungreifbares an sich hat. Der Text spricht von Kriegsbunkern, von Containerschiffen, von einer baumlosen Landschaft ohne Grün. Etwas ist zerstört, ohne dass ihm etwas folgen könnte. Das Figurative als die Imagination aus dem Abstrakten heraus und wer sollte dem vertrauen und da hilft auch der Kamerawechsel, der Perspektivwechsel, der Wechsel der Blickrichtung nicht.
Während der Augenmensch immer mit der Präsenz seiner Bilder konfrontiert wird, muss dem Blinden diese Präsenz immer wieder hergestellt werden, etwa, dass Kevin ohne Unterlass, während Lois spricht und mit geschlossenen Augen ihre Worte, ihre inneren Bilder bei sich hält, mit allen Vieren auf dem Boden sich bewegt, ein Wesen, das zum aufrechten Gang wieder zurück zu kommen versucht, die Anziehung des Bodens spürend. Kevin ist vor allem auf dem Boden, kommt lange Zeit vom Boden nicht los, scheint ihn aber auch zu genießen.
„Schau über deine Schulter Junge“, ruft Lois Kevin zu. Das heißt schau zurück, vielleicht siehst du hinter dir, was demnächst von vorne auf dich zu kommen wird.
Während Michael, der unter rhythmischen Musikstößen raumgreifend und extrovertiert den Raum seinen Bewegungen zu unterwerfen sucht, sind die anderen eher introvertiert, auf sich und dem Platz konzentriert: Raha in schlangenartigen Bewegungen die Atmosphäre ihres Umfeldes in der Luft ausschmeckend, Kevin sich mit dem Boden beschäftigend, Lois roten Sand aus den Händen rinnen lassend, der ihr einen Platz ausweist, der ihr als Markierung selbst entströmt.
Während die Kamera auf einer der Figuren ruht, kann die Audiodeskriptorin eine andere Figur beschreiben, wie die die Szene beobachtende Raha: „deren abgeflachten Hände sich wie Klingen durch die Luft arbeiten“.
„Die drei Tänzer*innen bewegen sich durch wiederkehrende Motive, ihre Körper bilden ein sich veränderndes Dreieck, ihre unterschiedlichen Bewegungen verbinden sich zu einem vielschichtigen Rhythmus“, so entnimmt es der Blinde der Audiodeskriptorin und sieht die einzelnen Formen des Tanzes als zu einem Gesamt gehörend, das nur das Auge sich zu einem solchen zusammenzusehen vermag. Die Deskriptorin bringt etwas anderes hervor, das eine weitere Beschreiberin ergänzt, dem Akustischen eine weitere Dimension hineinbringend, die der Komplexität durchaus zuträglich ist.
Michael tritt in der Zwischenzeit auf der Stelle, ein insgesamt scheinbar zerfleddernder Zusammenhang, den das Bild auf dem Video im Hintergrund als Gedanke zu einem Kontext zusammenhält, während die poetischen Texte die Szenerie einfärben, als lägen sie hinter Glas, auf das farbiges Licht fällt.
Partikel von Formen, die von unterschiedlichen Tänzer*innen aufgegriffen und wiederholt werden, als trügen die einzelnen nur das Material herbei, das sich dann in ein Gesamt erst auswächst, der Gedanke der Plan erst aus der Handlung sich ergebend, Möglichkeiten durch die einzelnen Tänzer*innen ausgelotet. Geländerloses Tasten.
Ein Bild: Raha auf dem Boden sitzend in einem Lichtkreis, aus dem Off eine sonore Stimme: „You disappeared.“ Sie lässt ihren Kopf zur Seite fallen und den Zopf über den Boden gleiten, als wolle die Bewegung dem Gehörten irgendwie entgegenwirken.
Auf dem Video zwei Schaukeln und ein Tänzer der seinen Körper unkontrolliert schüttelt eine weitere Tänzerin, die dies ebenso auf der anderen Seite der Schaukeln tut.
Die Tänzer*innen isolieren kurze Bewegungsabfolgen, wiederholen sie rhythmisch wie in einer eingefrorenen Videosequenz.
Bewegungsabfolgen wechseln immer wieder zwischen lässig und maschinell.
Repetitive Bewegungsabläufe in einer Figur eingesperrt, dann wieder von anderen aufgenommen, was zunächst von der einen oder dem anderen entwickelt wird, greift eine dritte auf, als wolle sie die andere dadurch befreien.
Die Wiederkehr von Momenten der Videos, die sich auf dem Boden der Bühne spiegeln und immer auch die Atmosphäre der ganzen Bühnensituation verändern.
Verändert auch die Bewegungssituation, etwa „wenn Raha auf Zehenspitzen einerseits über ihre eigene Achse sich dreht und dabei quer über die ganze Bühne tanzt, während Lisa mit den Händen etwas zu sich schöpft und es gegen ihre Brust wirft“, mit den Händen etwas wie die Sorge um sich ausdrückend, während „Lois die Hände wie zum Gebet fasst, die Arme dagegen und gegen die Pose nach vorne und nach hinten arbeitend“, in der einen Pose eine andere Pose aufnehmend und in einer anderen Bewegung aufnehmend und verändernd weitertreibend, alles im Rhythmus eines technischen Beats.
„Raha nimmt ihren Trippelschritt wieder auf und erweitert ihn in schnell rotierenden Armbewegungen, während von Lois der Impuls der Verlangsamung, der auf sich allein zurückweisende Impuls eingebracht wird, der in unterschiedlicher Weise von anderen aufgegriffen wird, etwa von Kevin, der von der Seite hereinkommt, um langsam auf den Boden zu gleiten, während Lisas Gesicht ihre Tanzbewegungen ausdrückt, ihre Wangen dabei leicht gerötet, ihr Gesicht dabei verzerrt und wieder entspannt“, kommunizierend der mit Händen und Armen gestikulierende Körper mit dem Gesichtsausdruck.
Die Szene auf den Videopaneelen verändert sich, von in sich verschatteten Bläulich-Weißen hin zu einer Landschaft, in der vage vertikale Gegenstände zu erkennen sind, Violettes, Bräunliches, das auch ein Brand sein könnte, der sich als eine von hinten gesehene Menschenmasse entpuppt, kahlgeschoren alle. Gesten heraustretend aus der Masse. Die erhobenen Arme eines Predigers, dazu das intensive Atmen einer Tänzerin, während der Text von zu viel an Informationen spricht, von Reizüberflutung.
Während die Musik in einem dunklen Klangband kontinuierlich die Szenerie umfasst und der Text, von Kevin gesprochen, über die selbstmörderische Tendenz der Clubkultur spricht, die er auffordert, sich umzubringen, ist auf dem Gesicht von Lisa die Verzweiflung zu sehen, gegen die der Text dann doch anspricht, die Kamera auf Lisas Gesicht, im Hintergrund immer noch die kahlköpfige Masse von hinten.
Lisa zeigt ihre Zähne, während immer wieder die Augen aller nach oben gewandt sind, Hände über Gesichter streifen, den Kopf im Nacken, Lisa die Augen rollend und, mit den Händen geformt, taucht eine mit den Händen geformte Herzform auf.
„Lois, Kevin und Raha gehen in gleichbleibendem Abstand im Kreis, umkreisen die Bühne, Lisa immer noch in der Bühnenmitte, schließt sich dann den anderen an.“ Die Musik in gleichbleibenden Intervallen, die durch trockene Schläge elektronischer Drums aufgebrochen ist, während der Videogrund vom Bläulichen ins Magenta wechselt und das Magenta sich auf dem Bühnenboden spiegelt.
„Alle bewegen sich chaotisch durcheinander und Michael geht in langen Schritten um den Bühnenrand, geht in die Knie beugt die Arme vor der Brust, federt sich ab und läuft weiter, am Bühnenrand Scheinwerfer, die zum Rhythmus der Musik aufblinken, deren Licht sich mit dem Schein in Magenta des Video vermischen.“
„In der Mitte Raha im Ausfallschritt, Kopf gesenkt, Blick stur vor sich in die Luft boxend, geht in die Brücke und erhebt sich wieder langsam, um in Zeitlupe Passagen zu wiederholen, die sie vorher bereits getanzt hat. Sie rast auf der Stelle, rutscht aus. Kevin läuft springt balanciert auf der Stelle mit einem Bein, sinkt zusammen und zieht sich an den Händen wieder hoch. Bewegungen werden allgemein kräftiger, sind aber zusammenhangslos.“
„Lisa und Lois stehen sich gegenüber und folgen einer synchronen Bewegungssequenz, sie scheinen ekstatisch, obsessiv und etwas erschöpft.“ Sie tanzen mittlerweile nicht mehr dasselbe, die eine auf dem Boden die andere stehend.
Kevin kniet jetzt hinten links, Lisa sitzt vorne rechts. Beide stehen langsam auf und verlassen die Bühne.
„Raha wirbelt um ihre eigene Achse, fängt sich und lässt die Bewegung abklingen.“
Die Musik kehrt sich in sich, wird elektronisch getragen, nimmt Spannung und Geschwindigkeit heraus, die Bewegungen der Tänzer*innen kehren zum eigenen Körper zurück, etwa Lois.
„Raha blickt konzentriert zu Boden. Ihre Bewegungen geschmeidig und akzentuiert“, wie Andeutungen und Überreste, wie es der Blinde empfindet. Lois und Kevin am Mikrophon sprechen einen Text von Verlust, Verlieren und Trauer.
Das Entscheidende aber scheint nicht der Inhalt, eher die Schaffung von Atmosphären durch Worte. Auf dem Video tauchen die Gesichter von schwarzen Jugendlichen auf, bemalt teilweise die Gesichter, teilweise mit Masken, angetan mit bunten Kleidern, Raha hat die ganze Zeit weiter getanzt. Für einen kurzen Moment das Video ist dunkel und Lichtkreisen auf dem Boden folgend kommt Michael voller Energie zurück und bewegt sich von Lichtkreis zu Lichtkreis. Die Musik in kurz gehaltenen Technoflächen.
Während Michael eher ruhig seine Choreographie von Lichtkreis zu Lichtkreis ertanzt, zeigt das Video afrikanische Kinder in Masken, die die Musik der Bühne aufnehmen und auf sie mit Wucht reagieren, die teilweise mit der Kamera kommunizieren, in die Kamera Fratzen des Erschrecken-Wollens ziehen.
Michael wirkt hingegen konzentriert, überlegend, räsonierend, jeden Schritt planend. Die Musik wird sphärisch, die Videoaufnahmen werden abstrakt. Michael ist auf sich konzentriert. Ein weiterer Wechsel der Musik macht seine Bewegungen kraftvoller, extrovertierter, er „wechselt die Tanzschritte behält aber den Rhythmus bei.“
Kevin kommt auf die Bühne. Momente: „Stop and go. Bewegt sich unaufhörlich trippelt mit dem Gesicht zur Leinwand vor und zurück. Michael springt über Kevins Bein.“ Überhaupt drückt sich etwas Hektisches im Gegensatz zu den Bildern auf dem Video aus. Langsame Bewegungen zweier Figuren mit riesigen Basthüten mit an ihrem Rand herabhängenden Fäden, die den ganzen Oberkörper verdecken.
Die ganze Szene wird von Lois beobachtet, die an der Seite auf einer Kiste sitzt.
Kevin und Michaels Kommunikation ist immer wieder in Richtung Video ausgerichtet, wie eine Reminiszenz, in deren Verlauf nur noch eine Figur mit Basthut übrig ist. Beide bewegen sich so, als würden sie vom Klang bewegt werden. Auf der Leinwand taucht eine Frau mit einem Regenschirm auf, sie blitzt einmal rechts, dann links, dann wieder in der Mitte der Leinwand auf. Der französische Text, der Text von Jacques Derrida selbst gesprochen, beginnt. Marx’ Gespenster.
Gespenster übernehmen
Der Wiedergänger, von dem hier auf der Bühne gehandelt wird, ist die Stimme eines Toten, der einen Vortrag über die Gespenster von Marx auf französisch vorträgt, damals vorgetragen hatte und in der Präsenz dieser Aufnahme eines Toten spricht die Erinnerung an eine Stimme, kehrt aber nicht nur die erinnerte Stimme wieder, kehrt ein Gedanke des Trägers dieser Stimme wieder, der sein eigenes Wiedergängertum quasi ankündigte, der selbst Jahre später wiederkommen sollte, wiederkam als Toter, wie er von Marx als einem Gespenst sprach, in diesem Vortrag gesprochen hatte, in dessen Wiederholung in einer Aufnahme er selbst, Jacques Derrida selbst quasi als Gespenst wiederkehren sollte.
Teile der Kostüme aus dem Video tauchen auf der Bühne auf, gehen den umgekehrten Weg, den des gespeicherten Vergangenen hinein in eine zurückgekehrte Gegenwart. Der Basthut mit den langen Fransen an seinem Rand, von dem Xenia Taniko sagte, er erinnere an etwas Quallenartiges, an Tentakel, die etwas einfassen, bei sich halten oder eben wie hier, auch in ihrem Inneren verbergen. Bekleidet mit diesem Hut lässt jetzt Lisa roten Sand auf eine der länglichen Kisten rieseln, Sand, der zuvor von einer anderen, von Michael und Kevin an die Wand gestellten Kiste herabrieselte, wie zuvor bereits Raha den Sand von einer anderen Kiste wischte, den roten Sand.
Wie vorher Xenia Taniko von einem unsichtbaren Ritual sprach, und was ist ein unsichtbares Ritual anderes als die Geste einer Handlung, deren Wiederholung diese Handlung, diese Geste zu einem Ritual erst macht. Ein Ritual taucht hier vollzogen von den drei Tänzerinnen auf, vorbereitet von den beiden Tänzern, die die Sargkisten zur Handlung ihnen hinstellen. Anders allerdings gehandhabt und doch an eine Stelle aus dem Buch Reden erinnernd, dem 5.
Buch des Mose, wo Gott die Anordnung aussprach, das Blut wie Wasser auf den Boden zu schütten, es nicht zu essen, da es die Seele ist. Die Seele, sie wird tatsächlich von Lois auf den Boden rieseln gelassen, ergibt den Ort, den Platz der Handelnden, auf den sie sich stellt. Im Video weit aufgerissene braune Augen, die der Handlung zusehen. Lois schließt die Augen wie ein Kind, das glaubt, auf diese Weise selbst nicht gesehen werden zu können, wie der sichtbaren Nichtanwesenheit zu entgehen.
Symbolisiert der rote Sand aber die Seele, ist er dabei zugleich Symbol des Fortlebens, ja der Erinnerung wie die ganze Performance in ihren Ritualen, in ihren Bildern der Wiederkunft an die Kraft des Vergangenen erinnert, im Bild des Wegwischen des Sandes von der Kiste durch Raha an das Vergessen-Wollen erinnernd und dadurch erneut die Erinnerung wachhaltend im Bild, sie so gerade und erst recht erinnernd.
Während das Mikrophon und überhaupt die Akustik wie eine Mahnung des Erinnerten erscheint, bildet das Visuelle des Videos Bilder der Wirklichkeit ab, die vom scheinbaren Niedergang kapitalistischer Wirklichkeit zeugen. Verrottende Fabriklandschaften begleitet von Shrinking Citys. Die Bilder zeugen vom Niedergang von Regionen und Städten, zeugen aber auch von einer außereuropäischen Kraft, deren geisterhafte Masken noch einmal eine ganz andere, jugendliche Perspektive andeuten. Gerade wo das Rot als bleibender Zustand in Gestalt einer Farbe im Video zuletzt alles einfärbt und auf die Bühne strahlt als Erinnerung an noch nicht Realisiertes, das sich aber nicht allein von der Gedankenwelt des Marxismus speist, sondern von einer Lebendigkeit des Heute, das Außerhalb unserer Bilder von Welt liegt, etwa in Bildern ganz anderer Geister, die Erinnerung an eine andere Welt, die Erinnerung an die Zukunft von ganz anders woher Wirklichkeit werden zu lassen.
Was auch bleibt
Ein Protokoll, ein Protokoll des Hörens, des Erhörens: Mehrmals hat der blinde Autor die Performance angehört, die Aufzeichnungen dazu angehört. Den Worten anderer nach, Worten aus einem Video, Worten der Audiodeskription, Worten der Assistentin, in Worten die eigenen Aufzeichnungen vom Blinden Screen Reader vorlesen lassend: In mehreren Schichten bildet sich ein Bild, das über das Bild hinausgeht, es bildet sich eine Körperlichkeit im Inneren spürbar heraus, das Double der Bühne und ihres Geschehens, eine Art anderer Atem, das das Gespürte des Gehörten im Körperinneren erfährt, etwas dabei erfahrend, das eine – in der blinden Tanzerfahrung für den Erblindeten – bislang einmalige Erfahrung darstellt, die er nicht nur hört, die er in sich Körper werden fühlt, die ihn spürbar ausfüllt, so dass er das Gehörte selbst wird, wie ein beschriebenes Bild immer den Hörenden zum Gehörten machen sollte.
Drei sprechende Quellen des blinden Bildes: der Film in seiner Vielschichtigkeit, die Stimmen der Tänzer*innen, ihre Geräusche, die Stimme der Xenia Taniko, die die Bilder beschreibt, die aufgrund der Komplexität nur einen Teil beschreiben kann, dann die Stimme der Assistentin, die etwa die Bewegungen der Tänzerinnen beschreibt, während andere Tänzerinnen sprechen.
Wie ein durchlässiges Organ nimmt der Blinde das Gehörte auf, um es in Gefühltes sich übersetzen zu lassen, es in sich gespürt werden zu lassen, es Teil seines Körpergedächtnisses werden zu lassen. In der Beschreibung der Performance vollzieht sich etwas ganz anderes als in der herkömmlichen Bildbeschreibung, die als weiteres Bild im Inneren des Erblindeten erscheint. Die Audiodeskription führt zu einer Verkörperung von Bewegungen von Handlungen, die das innere Bild aufbrechen, aus ihm etwas heraustreten lassend, das selbst Volumen ist, das selbst Körper ist, ein Anderes, mit dem der Erblindete in Kommunikation tritt.
Da ist Raha, die sich durch Szenen schlängelt, etwas Unfassbares, etwas Nicht-Greifbares ausdrückend, da ist Lisa, zwischendurch eine Angriffslustigkeit verkörpernd, da ist Lois, der Performance vorab ihre Seele gebend, die Poetin des Abends, da ist Kevin, der eine Erdverbundenheit pflegt, kommunizierend mit Bildern, die so unscharf sind, dass nur das gesprochene Wort sich an etwas Bestimmtem halten kann, da ist Michael Wucht, Formen benötigend, um seiner Kraft und Entschlossenheit eine Richtung geben zu können.
Da sind andererseits Gesten, die übernommen werden, etwa das Rieselnlassen des Sandes, da sind Requisiten wie der Basthut, der vom Video heraus übernommen wird, da ist in umgekehrter Richtung das Sprechen von Gespenstern, die im Video als afrikanische Masken oder als Gesichtsbemalung sich fortsetzen. Realitätsebenen durchlässig machend, Medien als Wirklichkeitsproduktion ernst nehmend. Was im Medium erzeugt wird, kommt in der real gelebten Bühnenwelt noch einmal zu sich und zu Form.
Was aber macht eine Performance mit einem Blinden, der von einem Autor hört, er habe sich das Leben genommen, überzeugt, der Kapitalismus könne nicht mehr überwunden werden.
Wenn es kein richtiges Leben im Falschen gibt, ist überhaupt kein Leben mehr möglich, ist das Leben nur noch zu beenden? Aber wie sangen die Rolling Stones bereits in den Sechzigern in ihrem Song über den Street Fighting Man? But what can a poor boy do Except to sing for a rock ‘n’ roll band.