Text für Broschüre der Biennale der Tanzausbildung
Alle Körper haben einen Namen. Es ist immer eine Kathrin, eine Yael, eine Yasemin oder ein Ahmed, vielleicht ein Naishi aber wir sprechen immer mit Menschen nie mit Körpern.
Treffen wir auf jemand Unbekannten so stellen wir uns gegenseitig vor. Werden z.B. nach Kriegen Gebeine geborgen denen man kein Namen zuordnen kann so werden alle Anstrengungen unternommen die Personen zu identifizieren um ihnen ihre Namen zurückzugeben.
In den letzten Jahrzehnten wurde viel diskutiert um eine falsch verstandene cartesianische Unterscheidung von Leib und Seele zu revidieren. Wilhelm Reichs Ausruf: Ihr habt keine Körper, ihr seid welche steht symptomatisch für einen eher ganzheitlich orientierten Blick auf die Menschen.
Und doch reden wir nach wie vor über „die Körper“ Unsere Sprache erlaubt uns diese Unterscheidung zu treffen und schafft somit eine Realität. Unser Ich welches wir als scheinbar vorgeschaltet empfinden lässt uns auf unseren eigenen und den Körper anderer Menschen schauen ohne an deren Namen zu denken. Das Begehren sehnt sich gelegentlich geradezu nach Körpern ohne Namen. Dieser „Doppelaspekt“ in der Betrachtung von Körpern kreiert eine Ambivalenz die immer präsent und unauflösbar ist. Auch der auf der Bühne tanzende Körper kann ihr nicht entkommen. Wir sehen immer beides: einen benannten und einen unbenannten Körper. Tanzkünstler*innen können nun den einen oder den anderen Aspekt betonen aber sie operieren prinzipiell aus einer Oszillation zwischen diesen beiden Polen heraus.
Der Regisseur Peter Brook spricht in einer seiner Schriften einmal über den Moment als er im Theater klassischen indischen Tanz sieht. Er sagt sinngemäß: trotz all der hochkodifizierten Bewegungen, die für einen Nichteingeweihten kaum entschlüsselbar sind, sieht man doch immer noch einen Menschen der tanzt.
Diese Beobachtung beschreibt meines Erachtens die Ambivalenz tanzender Körper auf der Bühne ziemlich gut. Ein Körper der tanzt kann in gewisser Weise immer benannt werden. Er ist Träger von Kodierungen die Hinweise auf seine Biografie, seine Kultur, seine Ausbildung und die gewählte Ästhetik geben könngen, er geht allerdings nie ganz darin auf. Er repräsentiert all dies aber eben auch immer sich selbst. Andersherum gilt das natürlich auch: wir können auf der Bühne „Ich“ sagen so viel wir wollen, unseren Kodierungen entgehen wir nicht.
Choreograf*innnen können nun den ein oder anderen Aspekt mehr betonen aber es ist die Oszillation zwischen benanntem und unbenanntem Körper die charakteristisch für den Bühnentanz ist.