Zerbrechliche Musik von KatCosm

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Zerbrechliche Musik von KatCosm

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A. Hartmann | TAZ

„Das Cover der Platte, eine Frau mit altmodischem Hut spielt eine Altflöte, ist eine Tusch- oder Bleistiftskizze. Und um Skizzen, um Songskizzen geht es die ganze Zeit auf „Sophie Playing The Recorder At School“.Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Platte kommt überraschend, es hat so wohl kaum jemand erwartet, dass solche Musik aus Berlin kommt und, sie ist viel mehr als nur ein gelungener Beitrag zur neuen Innerlichkeit, die derzeit ihre Rückkehr in die internationale Gitarrenmusik feiert. Deshalb ist es Klangkrieg, dem Laden, bei dem niemand mit einer so zärtlichen Musik gerechnet hat, auch hoch anzurechnen, einfach so, ohne großen Firlefanz, diese Sammlung an zerbrechlichen und weltfremden Songwriter-Kleinoden veröffentlicht zu haben.

KatCosm, das sind Sebastian und Jana. Sebastian und Jana, Nachnamen sind unwichtig, nur diese beiden Vornamen zu kennen, macht die ganze Sache viel intimer, und das passt auch besser. Denn wenn man ihre Musik hört, nähert man sich ganz automatisch ihren Machern an und hat bald das Gefühl, tief in die Herzen dieser zwei Menschen blicken zu können. Und wer tief in das Herz eines Menschen blicken darf, spricht diesen gerne mit dem Vornamen an.

Die spröde Zerbrechlichkeit von KatCosm erinnert, wenn man sich schon im Berlin-Kosmos bewegen möchte, noch am ehesten an das ebenfalls hauchzarte Duo Komeit. Doch eigentlich haben KatCosm mit Berlin und all der Musik, die in dieser Stadt entsteht, kaum etwas zu tun. Mit ihrem Lass-uns-einfach-mal-machen-Charme fühlt man sich eher nach Portland oder eine ähnliche Strictly-Indie-Hochburg Amerikas versetzt. Dorthin, wo im Studentenmilieu jeder und jede eine Band hat, die von irgendjemandem gesignt wird, der wiederum ein hoffnungsloser Freak ist, der Musik nur der Musik wegen veröffentlicht – und weil er sie vor allem für sich selbst auf einem Tonträger besitzen möchte.

KatCosm klingen so, als hätten sie für niemanden als sich selbst diese wunderbaren Soundskizzen aufgezeichnet. Für sich und ihre besten Freunde. Man kann sich Sebastian und Jana förmlich vorstellen, wie sie etwas verschämt ihre eigenen Aufnahmen das erste Mal angehört haben und meinten, ach, das sei doch nichts Besonderes, während allen anderen vor Rührung die Tränen in den Augen standen.

KatCosm machen grundsimple Musik. Eine Akustikgitarre, Gesang, gelegentlich ein Drumcomputer und ein paar witzige Einfälle, da mal eine Geige, das muss genügen. Mit derart spärlichen Mitteln bekommen nur seelenzerrüttelte Enigmas wie Cat Power, Bill Callahan oder Bonnie Prince Billy eine ähnlich erschütternde Musik zustande. In dieser Reihung sind KatCosm jedenfalls bestens aufgehoben. Plus einem Schuss Belle-&-Sebastian(!)-Mädchenzimmer-Romantizismus. Jana & Sebastian arbeiten extrem sphärisch, mal zupft die Gitarre in eine Waldlichtung samt Vogelgezwitscher und entferntem Hundegebell hinein, dann erklingt eine Spieluhr zu zerbrechlichem Gesang und Kirchenglocken läuten die Sonntagsmesse ein.

Die Musik entführt in andere Zeiten, an andere Orte, in Träume, jedenfalls raus aus dem Alltag, raus aus Berlin. Wie die ganze Platte, gerät bei KatCosm auch der Ausflug in Lofi-Elektronik-Gefilde am Ende wieder ziemlich unfertig. Da pluckert halt irgendwas, doch wieder legt sich diese melancholisch-entrückte Atmosphäre über den Hörer, und er weiß, dass er sich immer noch meilenweit von kopfgesteuerten Postrockwelten entfernt befindet. Nur über eines ist er sich nicht ganz sicher: Dass er diese herrliche Platte nicht bloß geträumt hat.