Ein weisses Blatt
2004
Über das Stück
Ein weisses Blatt ist ein Stück über Bartleby, jener kryptischen Figur der Melvilleschen Novelle, die sich seit Generationen einer Flut von Deutungsversuchen ausgesetzt sieht. Am Anfang der Erarbeitung dieses Stückes steht eine Anekdote: nachdem Winkler dem Tänzer und Choreographen Günther Wilhelm vorschlug den Bartleby zu tanzen, stellte sich heraus das dieser in seiner Jugend bayrischer Meister im Stenographieren war und kurz vor einer Karriere als Schreiber im bayrischen Landtag stand, diese dann jedoch lieber für den Tanz sausen lies. Der berühmte Satz: “Would prefer not to” erhält hier eine besondere biographische Wendung und so gibt es wohl kaum jemand der soviel Verständniss für diese Figur mitbringt wie G. Wilhelm. Das Solo ist somit gewissermaßen eine Ver-körper-ung dieser Figur aus der Perspektive des Schreibens gedacht und choreographiert. Die Schrift wird als Brücke zwischen Figur und Choreographie genutzt da sie eine der geeignetsten Metaphern ist um über Tanz als sich im Raum einschreibenden Körper zu sprechen. Dabei wird jede Stilisierung Bartlebys als „Held der Postmoderne“ vermieden, selbst eine „Ausdünnung“ findet nicht statt denn der Weg zum Nichts ist ohrenbetäubend. Es ist vielmehr ein Tanz, ausgeführt als Hardcore Kalligraphie, über den „Schreiber der nicht mehr schreibt“ der zu seinem „eigenen weissen Blatt“ wird und letztendlich stirbt weil die Mauern watteweich sein können.
videos
Ein weisses Blatt - Bartleby
Ausschnitt #1
Ausschnitt #2
credits
Choreographie: Christoph Winkler | Mit: Günther Wilhelm | Bühnenbild: Alexander Schellow, Charlotte Kaiser | Musik: Ekkehard Ehlers, Devendra Banhart | Licht: André Schulz | Produktionsleitung: Barbara Friedrich
Produktion: Christoph Winkler, Sophiensaele und TANZTAGE BERLIN. Gefördert von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur und dem Fonds Darstellende Künste. Mit freundlicher Unterstützung der Tanzfabrik Berlin
Pressauszüge
[...] Winkler gelingt mit seiner halbstündigen Choreographie Bartleby – Ein weißes Blatt das spannende Porträt eines Manns, der in seinem selbstgeschaffenen Gefängnis zugrunde geht. Günther Wilhelm, dessen tänzerisches Können erheblich zum Erfolg des Stücks beiträgt, stürmt schwarz gekleidet auf die Bühne, betritt ein kleines Podest, stürzt zu Boden und rollt aus der Welt, die er sich schreibend anzueignen versucht. In der Folge tastet er deren Grenzen mit klar artikulierten, flinken und präzise gesetzten Bewegungen ab, als schreibe sich sein Körper tatsächlich mit jeder Bewegung, jeder Drehung und jeder Torsion in den Raum ein. Tanzjournal
[...] Der erste Teil ist der Figur des Bartleby von Melville gewidmet […] Der Tänzer Wilhelm Groener wird ihr auf eine spröde Weise gerecht, mit einem aufgeben der Widerstände des Körpers, die ihn überhaupt aufrecht stehen lassen. Die Tageszeitung